Happy Birthday! Unsere Schule wird 100!
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Zeitreise mit Gerda

Wir beginnen unser Interview damit, dass meine Großtante Gerda mir zeigt, wie die einzelnen Buchstaben des Alphabets vor ca. einhundert Jahren in der Schule geschrieben wurden. Dazu schauen wir in einen handschriftlichen Brief, den meine Uroma hinterlassen hat. Einige Buchstaben sind ziemlich schwer zu lesen.

Leni:
„Wann wurdest Du eingeschult und wie war Schule damals?“

Gerda:
„Ich wurde vor ungefähr 80 Jahren eingeschult, am 01.09.1940 in der Dorfschule meines damaligen Heimatortes. Es wurden jeweils zwei Klassen gemeinsam in einem Raum unterrichtet. So kamen schon mal 18 … 20 Schüler zusammen. Unterrichtet wurden wir hauptsächlich in den Fächern Deutsch (Lesen / Schreiben) und Mathematik, aber auch in Erdkunde, Handarbeit und Sport. Wir hatten einen großen Sportplatz und einen Schulgarten.
In unserem Klassenraum standen die Bänke rechts und links entlang eines breiten Gangs. In jeder Bank saßen drei Schüler. Ganz vorn war eine riesengroße Tafel. Darauf hat der Lehrer geschrieben. Wir hatten eine kleine Tafel, an der mit einem Band ein kleiner Schwamm befestigt war, und ein Stück Kreide. Schulhefte bekamen wir erst ab Klasse 3.
Unsere ersten Buchstaben schrieben wir noch in der altdeutschen Schrift (ihr nennt sie Sütterlinschrift). Ab der 3. oder 4. Klasse erlernten wir dann die Schrift wie man sie heute noch schreibt.
Der Unterricht begann um 08:00 Uhr und endete um 13:00 Uhr. Unsere Schultasche nannten wir Tornister.“

Leni:
„Und wie waren eure Lehrer so? Habt ihr ihnen auch mal einen Streich gespielt?“

Gerda:
„Sie waren eigentlich ganz nett. Aber Sie konnten auch böse werden. Ein Lehrer hat uns für Streiche u. a. mit In-der-Ecke-Stehen oder mit einem leichten Hieb mit dem Rohrstock bestraft.
Ich weiß noch, dass unser Lehrer immer ein Kissen auf seinem Stuhl hatte. Einmal haben wir das Kissen am Stuhl festgeklebt. Als er das Kissen nehmen wollte, fiel der Stuhl um.
Ein anderes Mal haben wir seinen Rohrstock angesägt …“

Leni:
„Das klingt lustig. Gab es denn auch Zeugnisse und Ferien?“

Gerda:
„Ja, selbstverständlich. Zeugnisse gab es wie bei euch zum Halbjahr und am Schuljahresende. Ich weiß noch, dass am 01.07. immer die Sommerferien begannen. Ferien bedeuteten für uns neben viel freier Zeit zum Baden im dorfeigenen See oder dem Spielen in Wald und Wiesen auch das Anpacken auf dem elterlichen Bauernhof.“

Leni:
„Was geschah dann?“

Gerda:
„Im Juni 1945 wurden wir aus unserer damaligen Heimat vertrieben. Ich war damals gerade in der 5. Klasse. Über hunderte Kilometer sind meine Mutter, meine Geschwister und ich zu Fuß nach Wolgast gegangen und schließlich nach insgesamt etwa zwei Monaten mit dem Zug nach Greifswald gekommen. Erst im Herbst des Folgejahres hatte sich alles soweit normalisiert, dass ich wieder zur Schule gehen konnte. 1948 habe ich in meiner neuen Heimat meine Schulzeit beendet."

Die Sütterlinschrift

Die Sütterlinschrift wurde entwickelt, um den Kindern das Schreiben mit der Kugelspitzfeder zu erleichtern. Mit diesen Buchstaben schrieb und lernte meine Uroma die ersten Wörter. Die deutsche Sütterlinschrift wurde ab 1915 in Preußen eingeführt.

Deutsche Kurrentschrift

Die deutsche Sütterlinschrift begann in den 1920er Jahren die deutsche Kurrentschrift abzulösen und wurde 1935 in einer abgewandelten Form (leichte Schräglage, weniger Rundformen) als Deutsche Volksschrift Teil des offiziellen Lehrplans. Wir können deshalb annehmen, dass die ersten Schüler der 2. Volks-Knabenschule noch die Kurrentschrift gelernt haben.

Lehrplan für den Gesangsunterricht in den Volksschulen 1914

So wie heute wurde der Schulunterricht vor 100 Jahren nach einem Lehrplan durchgeführt. Hier ist ein Beispiel:

Lehrplan für den Gesangsunterricht :
"Der Gesangsunterricht hat die Aufgabe, die Lust zum Singen und die Freude am deutschen Volkslied wie an edler Musik überhaupt zu wecken, die Gemütsbildung zu fördern, die Stimme und das musikalische Gehör zu bilden, einen Schatz wertvoller geistlicher und weltlicher Lieder sicher einzuprägen und die Kinder auf gesangliche Betätigung im späteren kirchlichen und bürgerlichen Leben vorzubereiten."